Donnerstag, Oktober 27, 2005

Déja-vù oder Mein Freund, der Zahnarzt

Man wacht auf, denkt sich "Au!", fasst sich an die Wange und tut sich schwer, zu verstehen, was offensichtlich ist - man hat Zahnschmerzen.
Zwei, drei Tage oder Wochen schleppt man sich Paracetamol-gestärkt durch Arbeit und Freizeit, hofft immer noch darauf, dass sich der Zahn doch dazu überreden lässt, zahm und artig Ruhe zu geben. Ein fataler Irrtum.
Endlich einsichtig und von allen Seiten ermuntert, geht man zum Zahnarzt. Dieser freut sich zuallererst über die zehn Euro Praxisgebühr, die man ihm zu überreichen hat, bevor er zum Schwingen des Bohrers bereit ist.
Seine Diagnose bestätigt den sich verhärtenden Verdacht - der Zahn muss raus! Bevor man sich mit dem Gedanken anfreunden kann und will, ist die Spritze mit dem Betäubungsmittel gefüllt, die Nadel aufgesetzt und im Mundraum versenkt. In dem Moment überlegt man dann, was eigentlich mehr Schmerzen verursacht: die Spritze oder doch der marode Zahn?
Nun beginnt die Zeit des Hoffens. Hoffentlich wirkt die Betäubung! Während der Zahnarzt auf den Zähnen Xylophon spielt, scheinheilig fragt "Tut's noch weh?" und dauernd auf die Uhr schaut um festzustellen, wann sein wohlverdienter Feierabend beginnt, wird die Zunge zu Wackelpudding, die Mundwinkel schwanken, geben auf und hinterlassen einen Eindruck von Apoplex. Man sitzt sabbernd auf dem Stuhl und versucht so gut wie möglich eine Antwort: "Nut noch 'n nisschen neh...". Also holt der Dr. med. dent. sein Folterinstrument Nr. 1 noch einmal aus der Schublade, jagt eine weitere Dosis ins Zahnfleisch und - verlässt den Raum. Die bis dato sehr stille Zahnarzthelferin zuckt mit den Schultern, sagt: "Der kommt gleich wieder. Wenn Sie möchten, können Sie nochmal spülen. Das Mittel schmeckt ja nicht so gut." und verschwindet ebenfalls durch die Tür. Aber Danke für den Hinweis.
Also sitzt man mutterseelenallein auf dem unbequemen Zahnarztstuhl und fragt sich, ob man sich grad auf die Lippe, die Zunge oder doch auf die Wange gebissen hat. Man merkt ja nichts, dank endlich einsetzender Betäubung.
Irgendwann ist es dann soweit. Die Tür öffnet sich und der Halbgott in weiß betritt erneut den Raum. Dicht gefolgt von seiner Hilfe. Diese postiert sich mit Sabber-Sauger neben dem Patienten und grinst eben jenem schadenfroh ins Gesicht. Der Zahnarzt freut sich sichtlich auf den nun folgenden Teil seiner Arbeit, krempelt die Ärmel hoch und holt die Zange aus der sterilen Verpackung. Die Person auf dem Stuhl weitet die Augen und versucht die einsetzende Schnapp-Atmung zu unterdrücken.
Das Instrument der Wahl wird langsam in der Mundhöhle versenkt. Man fühlt eigentlich nichts, wundert sich dennoch über die vielzahl irrwitziger Geräusche, die es zu verursachen scheint. Es knirscht und knackt, drückt und ziept, und am gelösten Minenspiel des Chirurgen erkennt man den Erfolg der Behandlung. Mit sicherem Griff holt er die Wurzel des Übels heraus und legt sie gut sichtbar auf dem Behandlungstischchen ab. Sowas wollte der gequälte Patient schon immer mal gesehen haben.
Eine Kompresse wird nun in das entstandene Loch hineingepresst, der Mund mit sanftem aber bestimmten Druck geschlossen, die letzte Anweisung "'Ne halbe Stunde draufbeissen, dann wird das Bluten wohl aufgehört haben. Bis nächtes Mal!" wird gegeben und schon ist die Tür schon wieder fast geschlossen. "cch nann mber no nich mbeitn nehn...!" erschallt der durch den geschlossenen Mund gezischelte Protest des Patienten. "Na dann schreiben wir sie für morgen krank." und zu ist die Tür.
Mit gelbem Schein ausgerüstet schleppt man sich aus der Praxis und begibt sich schnurstracks auf die heimische Couch. Ein Kühlpad schmiegt sich an die anschwellende Wange und verschafft Linderung - bis die Betäubung nachlässt.

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